SEED Nr.3

November 2020

SEED Newsletter zum Nonprofitjournalismus
Der Newsletter zum Nonprofitjournalismus
von Netzwerk Recherche

HERZLICH WILLKOMMEN BEIM SEED-NEWSLETTER!

Liebe Leser:innen,

als ich vor ein paar Jahren bei Correctiv gearbeitet habe, um die Reporterfabrik aufzubauen, haben wir im Team viel über die Idee einer redaktionellen Gesellschaft gesprochen. Eine Gesellschaft also, in der ein neues Miteinander von Journalist:innen und Bürger:innen entsteht, in der die Grundregeln des journalistischen Handwerks allen präsent sind: Wie recherchiere ich belastbare Quellen? Mit welchen Methoden prüfe ich ihre Glaubwürdigkeit? Und welche Verantwortung habe ich beim Publizieren?

Über diese Utopie wurden inzwischen etliche Essays geschrieben, Reden gehalten, Buchkapitel verfasst. Kürzlich aber wurde es sehr konkret, wie ich finde. Eine Crowd-Recherche von Correctiv sorgte für Aufregung, weil die beteiligten Bürger:innen politisch engagierte Menschen der Fridays-for-Future-Bewegung waren.

Mit der Recherche wollte die Klimaredaktion des Recherchezentrums herausfinden, wie viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen noch Kohlekraftbeteiligungen besitzen. Dafür mussten knapp 400 Anfragen an Städte und Gemeinden verschickt werden. Für diese Erhebung arbeitete Correctiv mit neun Bürger:innen zusammen, viele von ihnen aus der Fridays-for-Future-Bewegung.

Oha! Klima-Aktivist:innen und Journalist:innen, Hand in Hand bei der Recherche? Die Welt sah darin „eine zumindest eigenwillige Kombination“ und zitierte den DJV-Vorsitzenden, der die Zusammenarbeit kritisierte, da sie die journalistische Unabhängigkeit in Frage stelle.

Denkt man diesen Gedanken weiter, dann sind gemeinnützige Redaktionen besonders gefährdet, auf dem Grat zwischen Aktivismus und Journalismus die Balance zu verlieren. Denn sie sind stark in der Zivilgesellschaft verwurzelt, integrieren ihre Community oft in die Themenwahl, entwickeln neue Formate. Ein solches Experiment ist auch die Crowd-Recherche, mit der Correctiv z. B. den Wohnungsmarkt untersucht.

Wer Experimente wagt, der hat logischerweise kein Handbuch, in dem er Regeln und Fallbeispiele für jeden Anwendungsfall findet. Diese entwickeln sich erst nach und nach. Wir brauchen daher Leitlinien für den partizipativen, gemeinnützigen Journalismus.

Drei Punkte sind mir dabei besonders wichtig: Wenn man die Idee der redaktionellen Gesellschaft ernst nimmt und sie wie der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen als „Bildungsziel in der digitalen Moderne“ versteht (so schreibt er in seinem Buch „Die große Gereiztheit“), dann müssen Journalist:innen bei einer Kooperation mit Bürger:innen ihr Wissen weitergeben.

Genau so hat es Correctiv bei der Zusammenarbeit der Klimaredaktion mit den Crowd-Reporter:innen der Fridays-for-Future-Bewegung auch gemacht: In einem ganztägigen Workshop wurde ihnen zunächst einmal Wissen über Recherche-Werkzeuge vermittelt, sagt Justus von Daniels, Chefredakteur von Correctiv, im Gespräch mit uns. „Das war uns besonders wichtig, weil es uns darum geht, dass die Bürger:innen die Grundlagen journalistischen Arbeitens verstehen.“

Zweiter Punkt: Die redaktionelle Hoheit muss bei der Redaktion liegen. Also kein Kapern der Redaktion, wie es zum Beispiel die taz im September anlässlich des Klimastreiks gemacht hat, als sie das Blatt in die Hände von mehr als 40 Klima-Aktivist:innen legte. Correctiv machte es anders und gab den Crowd-Reporter:innen eine konkrete Aufgabe – die Korrespondenz mit den Kommunen.

Das führt zum dritten Punkt, zur größtmöglichen Transparenz. Bei der Kooperation müssen die eigene Vorgehensweise und mögliche Rollenkonflikte offengelegt werden. Die Anfragen enthielten allerdings keinen Hinweis auf das politische Engagement der Reporter:innen, kritisierte der Pressesprecher einer Kommune. „Alle Beteiligten haben ihre Anfragen unter dem Dach von Correctiv gestellt, insofern als Teil der Redaktion gearbeitet. Das ist nicht anders, als wenn Praktikant:innen Anfragen stellen“, erwidert Justus von Daniels. Aber bei solchen Recherchen sei es für die Transparenz sinnvoll, einen generellen Hinweis zu geben, dass es sich um ein besonderes Projekt handelt, an dem Bürger:innen aktiv beteiligt sind.

Reicht das? Ich glaube, dass es sinnvoll wäre, noch einen Schritt weiterzugehen. So wie die Correctiv-Mitarbeiter:innen ihre Mitgliedschaften in Vereinen und Netzwerken offenlegen, hätte ein Hinweis auf das Engagement der Recherche-Crowd in der Fridays-for-Future-Bewegung in den Anfragen für Klarheit gesorgt und Irritationen vermieden.

Insgesamt aber ist die Crowd-Recherche eine echte Innovation, ein Schritt in die redaktionelle Gesellschaft. Wer sie will, wird gar nicht vermeiden können, dass auch politisch engagierte Menschen mit von der Partie sind.

 

Herzliche Grüße

Thomas Schnedler

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NEWS

+++ So wie ein Eichhörnchen Nüsse und Samen im Wald sammelt, so sucht das neue Medienprojekt Squirrel News nach lösungsorientierten Nachrichten im Netz. Die Fundstücke werden dann aber nicht in einem Astloch versteckt, sondern vielmehr als kuratiertes Angebot auf einer Webseite, in einem Newsletter und per App präsentiert. Hinter Squirrel News stehen der Gründer Jonathan Widder und der gemeinnützige Verein Constructive News e.V. mit Sitz in Berlin. +++

+++ Holy Shit! Endlich mal gute Nachrichten von der Insel. In einer wegweisenden Entscheidung hat die britische Charity Commission erstmals einer journalistischen Organisation die Gemeinnützigkeit zuerkannt. Die Entscheidung, die in Deutschland den Steuerbehörden obliegt, ermöglicht es der Public Interest News Foundation, leichter Spenden einzuwerben und damit andere Nachrichtenorganisationen zu fördern. +++

+++ Freie Journalist:innen aufgepasst! Die Freischreiber legen ihre in die Jahre gekommene Freienbibel neu auf. Das Handbuch richtet sich mit seinen Tipps an Einsteiger:innen und alte Freelance-Hasen gleichermaßen. Aber nur, wenn es genug Vorbestellungen gibt, geht der neue Ratgeber in Produktion. Hier kannst du dir dein Exemplar sichern. +++

+++ Zur Förderung des kollaborativen, grenzüberschreitenden Journalismus haben die Alfred Toepfer Stiftung und Arena for Journalism in Europe das European Collaborative Journalism Programme ins Leben gerufen. Wer bereits erste Erfahrungen mit dem kollaborativen Arbeiten hat oder gewillt ist, sich in diesen Bereich einzuarbeiten, kann sich auf einen der 16 Plätze bewerben. An zwei Terminen werden die Stipendiat:innen mit Expert:innen über Chancen und Herausforderungen von Cross-border-Journalismus diskutieren und eigene Themenideen entwickeln. Bewerbungsschluss ist der 22. November 2020. +++

+++ Der Deutsche Bundestag berät derzeit über das Jahressteuergesetz 2020 und damit auch über eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts. In einer Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung empfahl der Bundesverband Deutscher Stiftungen, den Zweckkatalog in der Abgabenordnung zu ergänzen und insbesondere auch den gemeinnützigen Journalismus dort zu verankern. +++

+++ In der Schweiz könnte erstmals eine renommierte Tageszeitung von einer Stiftung übernommen werden. Das Blatt Le Temps aus dem Hause Ringier Axel Springer steht nach Informationen der NZZ vor einem Verkauf an Aventinus. In die 2019 gegründete Stiftung fließen unter anderem die Gewinne des Luxusuhrenherstellers Rolex – was Fragen nach der redaktionellen Unabhängigkeit der Zeitung aufkommen ließ. Aventinus versteht sich als Unterstützer „von unabhängigen und diversifizierten Qualitätsmedien“ und hält bereits Anteile am Online-Portal Heidi.News. +++

+++ Am Center for Civil Society Studies der Copenhagen Business School läuft eine Studie zu Stiftungen als Medieneigentümern in Skandinavien. Unter dem Titel „For Profit or Forever“ wird dort unter anderem erforscht, wie sich der Medienwandel auf die besonderen Strukturen der nordischen Medienlandschaft auswirkt. In Skandinavien werden (Medien-)Unternehmen häufig von Stiftungen geführt. Weil der stiftungsfinanzierte Journalismus hierzulande an Bedeutung gewinnt, erhoffen sich Expert:innen von der Forschung Erkenntnisse über wirksame Rahmenbedingungen. +++

+++ Auf Addendum folgt Pragmaticus: Das Anfang August überraschend eingestellte Medienprojekt aus dem Umfeld des Red-Bull-Konzerns von Dietrich Mateschitz hat offenbar einen Nachfolger. Pragmaticus, nach Informationen des Falter als Magazin und TV-Sendung mit kleiner Redaktion konzipiert, soll sich nach dem Wunsch Mateschitz’ „stärker auf lösungsorientierte Projekte jenseits der politischen Alltagsauseinandersetzungen“ konzentrieren. Statt eigene, aufwendige Recherchen zu starten, soll die Redaktion wissenschaftliche Themen zu wichtigen globalen Fragen allgemeinverständlich aufbereiten. +++

+++ Dank der Kooperationen mit mehreren Tageszeitungen profitieren jetzt auch Zeitungsleser:innen von der Expertise des Online-Magazins MedWatch. Die Berliner Zeitung, die B.Z., die Westdeutsche Zeitung und das Solinger Tageblatt haben ihre Leser:innen aufgerufen, Fragen zur Corona-Pandemie zu stellen. Die Antworten lieferten die Medizinjournalist:innen von MedWatch. Finanziert wird das Projekt von der Robert-Bosch-Stiftung. Eine Ausweitung des Angebots auf weitere Zeitungen ist geplant. +++

+++ Wer wissen möchte, wie das u.a. mit dem Grow-Stipendium ausgezeichnete Projekt Follow the Grant Interessenkonflikte in Forschung und Medizin transparent macht, sollte sich die „MIZ Role Model Session“ des Medieninnovationszentrums Babelsberg nicht entgehen lassen. Hristio Boytchev, freier Wissenschafts- und Medizinjournalist und Projektleiter bei Follow the Grant, erklärt in der Session, wie das Tool funktioniert und welche Recherchen damit möglich sind. Zur Anmeldung für den Termin am 9. Dezember 2020 (16 bis 18 Uhr) geht es hier, zur Mailingliste des Follow-the-Grant-Teams hier. +++

DREI FRAGEN

Die DW Akademie hat ein neues Handbuch veröffentlicht: „From start to success – a handbook for digital media entrepreneurs“. In dem Werk werden die Erfahrungen von 21 internationalen Medien-Organisationen ausgewertet – darunter das philippinische Nachrichtenportal Rappler, die argentinische Fact-Checking-Initiative Chequeado und die Internetzeitung Mada Masr aus Ägypten. Etliche von ihnen waren auch bei der Global Investigative Journalism Conference 2019 in Hamburg zu Gast. Ein Grund mehr für uns, neugierig zu sein. Pauline Tillmann hat an dem Buch als Projektmanagerin, Redakteurin und Autorin mitgewirkt – und uns einige Fragen dazu beantwortet. Das Handbuch gibt es hier zum Download.

In dem Handbuch berichten Gründer:innen aus Südamerika, Asien und der MENA-Region über ihre Erfahrungen beim Start und der Etablierung der Medienprojekte. Inwiefern lassen sich diese Erkenntnisse auf wohlhabende Länder mit größerer Pressefreiheit wie Deutschland übertragen?

Pauline Tillmann: Es geht um Medien-Pionier:innen, die in ihren jeweiligen Ländern versuchen, ein nachhaltiges Geschäftsmodell aufzubauen, damit es sie auch noch in fünf oder zehn Jahren gibt. Gleichzeitig ist es vollkommen richtig, dass Startups aus Schwellen- oder Entwicklungsländern nicht nur damit zu kämpfen haben, ein Unternehmen aufzubauen. Da kommen meist noch die Repressionen vonseiten der Regierung obendrauf. Bedrohungen, Einschüchterungen, Verhaftungen sind bei vielen der Medien-Startups, die wir interviewt haben, tatsächlich an der Tagesordnung. Und trotzdem geht es in dem Handbuch in erster Linie um Chancen, Innovationen, Einnahmequellen, Aufbau einer Anhänger:innenschaft und das richtige Team. Diese Erkenntnisse sind auf jeden Fall auch auf Deutschland übertragbar.

Die Arbeit im Medien-Startup gleiche einer „Achterbahnfahrt“, heißt es in dem Report. Das ist für manche ja die größte Attraktion auf dem Rummel, für andere ein Angstmacher. Wie kann ich bei dem Auf und Ab die Risiken minimieren? 

Es gibt natürlich nicht die eine Lösung, die für alle passt, weil auch immer der politische, soziale und wirtschaftliche Kontext eine Rolle spielt. Aber es gibt eine ganze Reihe von Empfehlungen. Zum Beispiel, dass man sich die richtigen Leute suchen sollte, um ein Unternehmen zu gründen, zu wachsen und auf Erfolgskurs zu kommen. Ein anderer Ratschlag ist, dass man auf unterschiedliche Erlösquellen achten soll, sich also nicht nur auf einen Geldgeber oder eine internationale Stiftung bzw. Stipendien zu verlassen. Die Diversifizierung der Einnahmequellen ist ein zentrales Thema. Ein anderes: Die intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Publikum. Ich glaube, da ist nicht nur bei Medien-Startups, sondern auch bei etablierten Medien-Unternehmen durchaus noch Luft nach oben.

Die Interviews für das Handbuch wurden vor der Corona-Pandemie geführt. Gibt es dennoch Erkenntnisse, wie die Gruppe der „Digital Media Pioneers“ bislang durch diese schwierige Zeit gekommen ist?

Die meisten Projekte sind nicht von Anzeigenerlösen abhängig, sondern setzten vor allem auf ihre Community – Stichwort Membership. Vor zwei Jahren gab es in dem Netzwerk von 16 internationalen Medien-Startups, das ich für die DW Akademie aufgebaut habe, nur ein Projekt, das mit Mitgliedschaften experimentiert hat. Inzwischen sind es acht. Die ersten heuern sogar eigene Membership-Manager an, weil sie merken, dass man das nicht „nebenbei“ machen kann. Fast alle konnten ihre Reichweiten seit März verdoppeln und haben neue Online-Formate gestartet. Die entscheidende Frage ist natürlich: Wie bewege ich Menschen dazu – am besten mittel- oder auch langfristig – für qualitative Inhalte im Netz Geld zu bezahlen? Das ist eine Frage, die wir im Handbuch in Teilen beantworten konnten, aber die uns mit Sicherheit auch noch in den nächsten Jahren wesentlich beschäftigen wird.

Pauline Tillmann ist freie Journalistin sowie Gründerin und Chefredakteurin des digitalen Magazins Deine Korrespondentin. (ts)

RENDEZVOUS

Kennst Du schon? Kohero, das Magazin für ein Miteinander

Ein Magazin von Geflüchteten für alle – das war im Frühjahr 2017 der Plan von Hussam Al Zaher, einem syrischen Journalisten, der aus seiner Heimat fliehen musste. Das damals von ihm mitbegründete Flüchtling Magazin sollte die Themen Flucht und Migration aus der Sicht der Betroffenen schildern.

Drei Jahre ist das nun her. Zeit für Veränderung. Denn die Redaktion beschäftigte sich zuletzt immer häufiger mit der Frage: Wie lange ist man eigentlich Geflüchtete:r? Wann ist man „angekommen“? Für Chefredakteur Al Zaher ist klar: „Ich bin Hamburger. Wir gehören dahin, wo wir sind. Vielleicht nicht zum Land, aber zur Stadt, in der wir leben.“

Der Name „Flüchtling“ passte also nicht mehr. Und so nannte sich das Magazin, das 2018 mit dem Grow-Stipendium von Netzwerk Recherche ausgezeichnet wurde, im September in Kohero um, was in der Kunstsprache Esperanto Zusammenhalt bedeutet. Al Zaher begründet den neuen Namen so: „Wir sind Teil der Gesellschaft. Es gibt nicht mehr das Ihr, die Deutschen, und Wir, die Geflüchteten.“ Ganz im Sinne der Gründungsidee berichten Geflüchtete auch weiterhin über sich und ihr Leben und kommen so ins Gespräch mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft.

Neu ist bei Kohero, dass sich das Magazin nun auch an Deutsche mit Migrationshintergrund richtet und gesamtgesellschaftlich relevante Themen wie Rassismus aus der Sicht von Menschen anderer Hautfarbe abbildet. Geblieben ist die Hingabe des kleinen Redaktionsteams, das überwiegend ehrenamtlich die neue Website bestückt und ein bis zwei Mal im Jahr sogar eine Printausgabe herausgibt. Um seinen Autor:innen irgendwann Honorare zahlen zu können, ist Kohero auf der Suche nach Mitgliedern und auf Spenden angewiesen. (mw)

 

LESE-TIPPS

STUDIE ZU GOOGLES ENGAGEMENT IM JOURNALISMUS

Der Tech-Konzern als Mäzen

Google ist laut einer neuen Studie der Otto-Brenner-Stiftung der „wohl größte Journalis­mus-­Mäzen der Welt“. Aber warum fördert der Tech-Konzern die siechende Branche mit dreistelligen Millionenbeträgen? Die Autoren zeichnen nach, dass Googles Engagement als Reaktion auf steigenden politischen Druck verstanden werden kann. Für die strauchelnden Verlage sind die Fördergelder dringend benötigte „Entwicklungshilfe“. Innovationstreiber wie publizistische Neu­gründungen oder gemein­wohlorientierter Journalismus werden hingegen kaum gefördert. Zudem warnen die Autoren vor korrumpierender Nähe und Selbstzensur, wenn die Google-Millionen „zu einem quasi­strukturellen Element der Fortschrittsfinanzierung“ werden.

WAS JETZT ZU TUN IST

Phineo-Report zum Nonprofitjournalismus gibt Handlungsempfehlungen

Liebe Politik, liebe Wissenschaft, liebe Stiftungen, liebe Kolleg:innen im Journalismus, der Phineo-Report ist erschienen. Er gibt nicht nur einen ausgezeichneten Überblick über die Welt des gemeinnützigen Journalismus, sondern leitet aus der Untersuchung auch ganz konkrete Maßnahmen ab, die der Entwicklung des Feldes und damit letztlich auch unserer Demokratie helfen würden. Rechtssicherheit schaffen, die Krise des Lokaljournalismus erforschen, mehr Geld zur Verfügung stellen – die Liste des Reports „Wozu Non-Profit-Journalismus?“ umfasst 14 Punkte. Auf geht’s!

AUS DER WISSENSCHAFT

Innovationslandschaft im deutschen Journalismus

In einem wissenschaftlichen Gutachten für die Landesmedienanstalt NRW werfen Christopher Buschow und Christian Wellbrock einen kritischen Blick auf die Innovationsförderung im deutschen Journalismus. Die beiden Forscher belassen es aber nicht bei einer Standortbestimmung, sondern geben Tipps und Empfehlungen, wie sich die (Spoiler!) schlechte Ausgangslage verbessern ließe.

CORONA AUS VERSCHIEDENEN BLICKWINKELN

Geförderte Recherchen zum weltweiten Pandemie-Geschehen

Die Wissenschaftspressekonferenz hat mit ihrem Covid-19-Recherchefonds eine ganze Reihe spannender Corona-Geschichten ermöglicht. Von Silke Jägers Recherchen auf Krautreporter über einige Folgen des Pandemia-Podcast bis hin zu den Recherchen zum Re-Start der Bundesliga (Vielen Dank an Thorsten Poppe für den Hinweis!). Alle geförderten Arbeiten gibt es hier.

VORBILD AUS DER FORSCHUNG

Plädoyer für die Gründung einer Deutschen Journalismusgemeinschaft

Der Journalismus-Professor Holger Wormer hat angesichts der finanziellen Schieflage des Journalismus eine staatliche Förderung nach dem Vorbild der Deutschen Forschungsgemeinschaft angeregt. Mit Verweis auf die existierende Wissenschafts- und Kunstfreiheit – trotz der Förderung aus Bundesmitteln – sagte der Wissenschaftler: „Mir konnte bisher noch niemand schlüssig erklären, warum das in anderen Bereichen funktionieren, aber im Journalismus nicht möglich sein soll.“

DEUTSCH-UNGARISCHE BEZIEHUNGEN

Fünfteilige Serie über das Verhältnis der deutschen Politik und Wirtschaft zu Orbán

Die Redaktion von Direkt36 ist eines der letzten unabhängigen Medien in Viktor Orbáns Ungarn. Unser Grow-Fellow Szabolcs Panyi deckt in seinen Recherchen (auf deutsch bei Krautreporter erschienen) alte politische Seilschaften zwischen Berlin und Budapest auf und wirft deutschen Unternehmen vor, der bedrohten Pressefreiheit weiteren Schaden zuzufügen.

SUPERMACHT SUPERMARKT

Neues Dossier-Magazin über die Welt der Handelsriesen

Crowdfunding macht’s möglich (s. SEED Nr. 2): Das neue, monothematische Magazin der österreichischen Recherche-Redaktion Dossier blickt hinter die Werbeversprechen der großen Supermarktketten. Die Handelsriesen nutzten ihre Marktmacht gegenüber Lieferanten skrupellos aus, fielen in der Vergangenheit durch illegale Preisabsprachen auf und führten ihren Kampf um Marktanteile ohne Rücksicht auf die Umwelt oder kleinerer Nahversorger, berichtet Dossier.

ZUKUNFT DES WISSENSCHAFTSJOURNALISMUS

Europäische Konferenz „Science Journalism in the Digital Age“

Internationale Medienexpert:innen wie Tom Rosenstiel (American Press Institute) oder Magda Konieczna (Temple University, Philadelphia, USA) sprechen bei der im Oktober und November stattfindenden SciCon über die Zukunft des Wissenschaftsjournalismus. In elf Online-Vorträgen geht es unter anderem um die Frage, welche Geschäftsmodelle den Wissenschaftsjournalismus in der Zukunft tragen bzw. welche Rolle Staat, Stiftungen und privatwirtschaftliche Akteure einnehmen könnten. Alle Vorträge sollen auf der Konferenz-Webseite dokumentiert werden.

GUCK-TIPP

Debatte zum gemeinnützigen Journalismus beim re:publica Campus

Stephanie Reuter (Rudolf Augstein Stiftung) und Christian Schwägerl (RiffReporter) diskutieren mit Markus Beckedahl (netzpolitik.org) über die Unterschiede zwischen Gemeinwohlorientierung und Gemeinnützigkeit, die Frage, warum Journalismus (wie der Verbraucherschutz oder der Modellbau) in die Abgabenordnung aufgenommen werden sollte, und wieso sich die deutsche Stiftungslandschaft bei der Journalismusförderung (noch) sehr zurückhält.

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IMPRESSUM

Herausgegeben von Netzwerk Recherche e.V.

Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin

Telefon: 030 49854012
www.netzwerkrecherche.org

Kontakt: seed@netzwerkrecherche.de

Vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder: Julia Stein, Cordula Meyer, Renate Daum

Eingetragen im Vereinsregister des Amtsgericht Charlottenburg, Vereinsnummer VR 32296 B.

Redaktion:
Dr. Thomas Schnedler (ts),
Malte Werner (mw)

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Der SEED-Newsletter ist Teil des NR-Projekts zum Nonprofitjournalismus, das von der Schöpflin Stiftung gefördert wird.